Interview Frau Bitte: Ihr Kinderwunsch

Wer sind Sie?
Ich bin FrauBitte, 32 Jahre alt und schreibe den Blog FamilieBitte zum Thema Kinderwunsch, Adoption und über alles, was mich sonst so bewegt. Mit meinem Mann lebe ich zusammen in einer Großstadt in Deutschland. Wir kennen uns noch aus der Schule, sind seit fast 13 Jahren zusammen und seit knapp vier Jahren verheiratet. Ich arbeite im medizinisch-therapeutischen Bereich, lese sehr gerne, habe einen Hang zum Kreativsein und bin gerne unter Menschen.

Wie ist Ihre Geschichte des Kinderwunsches?
Für meinen Mann und mich war schon immer klar, dass wir sehr gerne früh und viele Kinder haben möchten. Das wussten wir schon als wir uns kennenlernten, also mit knapp 19 Jahren…fast selbst noch frisch aus dem Ei geschlüpft. Wir warteten also, vernünftig wie wir waren, unsere Studienzeit ab und legten mit der konkreten Kinderplanung los, so wie wir ein festes Einkommen hatten. Da waren wir beide 27 Jahre alt. Nach circa einem Jahr ohne eingetretene Schwangerschaft begannen wir nervös zu werden und machten einen Termin in der Kinderwunschklinik in unsere Nähe aus. Dort folgten dann die üblichen Voruntersuchungen wie Bluttest, Ultraschalluntersuchung und aktuelles Spermiogramm meines Mannes. Die waren jedoch alle soweit unauffällig, so dass wir zunächst mit Inseminationen versuchten unserem Glück auf die Sprünge zu helfen. Nach fünf negativen Inseminationen wurde uns dann die künstliche Befruchtung empfohlen. Wir starteten 2013 mit der ersten IVF, danach zwei Kryoversuche. Ende 2013 folgte dann die zweite IVF, mit einem darauffolgenden Kryoversuch. 2014 hatten wir unsere letzte IVF. Die Anzahl der entnommenen Eizellen, die Befruchtungsrate und die Entwicklung der Embryonen sprachen immer für uns, doch leider ist kein einziger positiver Schwangerschaftstest daraus entstanden.
Mein Mann und ich waren immer eng im Austausch und für uns war wichtig, dass wir uns in der Kinderwunschthematik und der Kinderwunschbehandlung nicht verlieren und irgendwann zu einem Abschluss finden. Die Vorstellung immer weiter von IVF zu IVF zu leben und irgendwann vielleicht nicht mehr den Absprung zu schaffen, hat mich irgendwie erschreckt. Trotzdem konnten wir uns definitiv nicht vorstellen unseren Kinderwunsch aufzugeben und ein Leben ohne Kinder zu beschreiten. Daher haben wir uns entschlossen, den Weg der Adoption einzuschlagen. Aktuell haben wir das Bewerberverfahren inklusive Seminaren, Hausbesuchen und Einzelgesprächen nahezu abgeschlossen und steuern gerade auf die Wartezeit zu…die mitunter noch mal lang und anstrengend werden könnte.

Was erleben Sie im Alltag als größte Hürde?
Auf unserem Kinderwunschweg erlebe ich drei Dinge als große Hürden. Zum Einen ist es die finanzielle Situation. Mein Mann und ich hatten wirklich Glück, dass wir die Kosten der künstlichen Befruchtung recht gut stemmen konnten. Ich weiß aber, dass das bei vielen Paaren nicht so einfach ist. Das finde ich extrem schade und ungerecht. Denn dann kommt zu der emotionalen Belastung noch eine finanzielle hinzu. Ich würde mir diesbezüglich von den Krankenkassen definitiv mehr Unterstützung wünschen. Zum Anderen habe ich die mangelnde psychologische Unterstützung als große Hürde empfunden. Unsere Kinderwunschklinik hat dahingehend leider keinerlei Initiative gezeigt. Auf Anfrage bekamen wir die Telefonnummer einer Psychologin, die für das nahegelegene Krankenhaus zuständig war, jedoch überhaupt nicht auf unser Problem spezialisiert war. Wir haben uns dann um Termine bei einem Psychologen bemüht, der uns quasi mit den Worten „Sie sind ja noch jung.“ wegschickte…wir waren dann jedoch einige Euro leichter. Schließlich haben wir woanders Hilfe gefunden.

Zuletzt erlebe ich die Tabuisierung des Themas und einhergehend damit die mangelnde Empathie, die uns manchmal begegnet, als Hürde. Ich weiß, dass ich durch die von mir gewählte Anonymität beim Schreiben leider keinen positiven Einfluss auf die Enttabuisierung nehme, vielleicht wage ich den Schritt aus der Anonymität irgendwann in Zukunft, aktuell fühle ich mich aber noch nicht bereit dazu.

Was erleben Sie als Nutzen – obwohl Sie einen (unerfüllten) Kinderwunsch haben? Was sind die schönen Seiten?
Diese Frage nach dem Nutzen des Kinderwunsches klingt erstmal immer nach einem schlechten Witz. Mittlerweile weiß ich aber, dass sie sehr wichtig ist und den Blickwinkel verändert mit dem man die Dinge betrachtet. In den letzten fünf Jahren hat sich unsere Beziehung und unsere Art zu kommunizieren extrem verändert. Wir sind unheimlich gemeinsam gewachsen und haben viel über uns und noch viel mehr über den Anderen gelernt. Wir sprechen heute mehr, über Gedanken und Ängste und achten mehr auf den Anderen. Die herumliegenden Socken oder die Tasse von gestern, die immer noch herumsteht, haben an Bedeutung verloren. Wir haben regelmäßige Paarzeit eingeführt, in der wir uns bewusst Zeit füreinander nehmen.
Und ich habe in den letzten Jahren auch sehr viel über mich und mein Umfeld gelernt. Wie gehe ich mit Krisen um? Wer ist bei mir? Wer unterstützt mich? Und das war in den allermeisten Fällen eine Bereicherung. Vor Kurzem habe ich genau zu dieser Frage einen Beitrag auf meinem Blog gepostet, Näheres also gerne hier: https://familiebitte.wordpress.com/2015/02/01/kann-der-was-dieser-kinderwunsch/

Was tun Sie, wenn Sie einen schlechten Tag haben, um sich selbst Kraft und Zuversicht zu spenden?
An schlechten Tagen hilft mir in den allermeisten Fällen das Zusammensein mit Menschen, die ich gerne habe. Das kann in Form von Ablenkung sein oder in Form von Gesprächen. Meinem Mann hingegen hilft Sport. Oft hat mir auch einfach die Ablenkung im Job sehr geholfen. In wirklich schlechten Zeiten, in denen es nicht nur mir, sondern auch meinem Mann sehr schlecht ging, hat mir geholfen, dass wir uns auch mal separieren und dass das völlig in Ordnung ist. Das heißt, dass jeder für sich schaut, was ihm gerade gut tut und dies dann auch macht und man eben nicht zusammen hockt und sich gegenseitig emotional runterzieht. Unterm Strich ist jedoch meist mein Mann meine Stütze und mein Kraftspender.

Haben Sie einen Tipp für die Leserinnen und Leser, die auch einen (unerfüllten) Kinderwunsch haben?
Nun ja, so den EINEN Tipp habe ich nicht. Wir versuchen möglichst viele Dinge zu tun, die uns gut tun. Entweder gemeinsam oder jeder für sich. Und wir versuchen uns möglichst häufig vor Augen zu führen, welche schönen Dinge es um uns herum gibt und wie viel Glück wir trotz des unerfüllten Kinderwunsches doch haben. Gleichzeitig finde ich es aber auch total wichtig, Trauer und Verzweiflung zuzulassen und auch mal so richtig aus der Haut zu fahren.
Alles in allem ist es einfach eine extrem turbulente und belastende Zeit, mit vielen Up’s und Down’s, aus der ich aber in jedem Falle mitgenommen habe, dass nach JEDEM Down auch wieder ein Up folgt, auch wenn das manchmal schwer vorstellbar ist!

Warum ist ein Kinderwunsch Coaching aus Ihrer Sicht hilfreich gewesen? Wobei hat es Sie unterstützt? Weshalb macht es Sinn?
Für uns ist die Kinderwunsch Beratung sehr hilfreich, weil wir jemanden an unserer Seite haben, der „von außen“ auf uns schaut und mit dem Thema vertraut ist. Ich glaube, dass gerade beim Thema Kinderwunsch beispielsweise die Gefahr besteht, dass ein Partner bestimmte Dinge tut oder nicht anspricht, um den anderen Partner zu schützen. Die Beraterin hat ein Auge auf beide Partner und ihre jeweiligen Bedürfnisse. Wir haben durch unsere Beratung viele Tipps mit auf den Weg bekommen, die uns helfen, mit der aktuellen Situation und auch mit Krisenmomenten besser klarzukommen und uns als Paar nicht aus den Augen zu verlieren.

Vielen Dank für die Offenheit und die Bereitschaft zu erzählen. Von ganzem Herzen: Alles erdenklich Gute, viel Kraft und Zuversicht.. und schöne Momente der Lebensfreude!

PS: Ich unterstütze gerne! Hier steht, was ich tun kann, damit Ihr es leichter mit dem Kinderwunsch habt: https://kindersehnsucht.wordpress.com/kinderwunsch-coaching/

PS: Ihr wollt Eure Geschichte erzählen? Dann freue ich mich über eine Nachricht an https://www.kindersehnsucht.de/Kontakt/. Danke!