Der Kinderwunsch und die Wirklichkeit

Heute früh habe ich ein wunderbares Zitat gelesen, dass ich zwar irgendwann schon gehört hatte. Aber heute früh hat sich so richtig die Wirkung entfaltet.

DIE WIRKLICHKEIT IST NUR EIN TEIL DES MÖGLICHEN.
(Friedrich Dürrenmatt)

Erst mal scheint die Wirklichkeit wahr zu sein… aber eigentlich ist es „nur“ unsere Sichtweise darauf.

Gerade bei der Sehnsucht nach einer Schwangerschaft, nach dem schwanger werden – und vom Wunschkind sprechen wir dabei ja noch gar nicht – ist das bestimmt so. Was nehmen wir wahr? Wir nehmen wahr, was ist – besonders an den Tagen nach einem Ovulationstest, einem (negativen) Schwangerschaftstest. Nicht schwanger. Das ist hart und tut weh – und es wird immer schlimmer je länger man sich danach sehnt. Als ehemalige Kinderwunschlerin, die über Jahre hinweg gehofft und gebangt hat, doch bitte – bitte – endlich schwanger werden zu dürfen, weiss ich das.

Da ist auch nicht daran herumzudeuteln. Nicht schwanger ist eindeutig.

Aber ich finde, es gibt schon Mittel und Wege, wie man mit diesen niederschmetternden Ergebnissen etwas besser umgehen kann – in einer Lebensphase, in der sowieso alles keinen Spaß macht, man sich oft zurück zieht, auf Distanz zu anderen Menschen geht… weil alles so oberflächlich scheint.

Der Kinderwunsch sitzt tief – ohne Frage. Dennoch dürfen wir für uns selbst in dieser grauen Zeit sorgen. Und da finde ich schon, dass man jeden Tags auf’s Neue die Wahl hat: Worauf schaue ich? …auf das, was (vermeintlich) ist – oder auf das, wie es auch gesehen werden könnte und was ich daraus machen kann?

Ja, das ist nicht leicht, wenn der eine große Kinderwunsch das Leben beherrscht! Dennoch können wir es uns ein wenig leichter machen. Bei den Dingen nämlich, die wir in der Hand haben, können wir anfangen. Wir können anfangen uns zu fragen, WIE wir auf diese Dinge schauen wollen. Wollen wir den vollen Terminkalender sehen und ächzen? Oder wollen wir uns fragen „Aber ist das so schlimm, das ich so viel zu tun habe“?

Hier haben wir es in der Hand, aus dem dunklen Grau herauszutreten und wenigstens den Rest des sonstigen Lebens etwas leichter lehmbar zu machen. Schaue ich auf das, was IST – oder schaue ich darauf, was ich aus dem IST – wenn es jetzt schon mal so IST wie es IST – machen kann? Ein voller Terminkalender? Gut – das ist nicht schlecht. Denn: Es dreht sich ‚was… …klingt doch schon viel besser. Und es signalisiert unserem Unterbewusstsein, wo sonst die Trauer und Hoffnung und Enttäuschung um den Kinderwunsch zu Hause ist, für einen Moment mal die Perspektive zu wechseln. Ich persönlich ächze nicht unter meinen To Dos – ich freue mich auf die Chancen, die das mit sich bringt… denn die Chancen kann ich gestalten und nutzen. Und ich habe es in der Hand, was ich daraus mache. Beim Kinderwunsch ist es nicht so. Dann mache ich doch wenigstens aus dem Rest meines Lebens etwas, das mir gefällt.

„Die Wirklichkeit ist nur ein Teil des Möglichen.“

Stimmt. Denn im Wort Wirklichkeit steckt auch das Wort WIRKEN… also handeln und tun. Also…  die Möglichkeit zu wirken. Und das ist es doch, was einen guten Kontrapunkt zur Trauer setzt… zur Trauer, dass man so wenig tun kann, um endlich das Wunschkind zu bekommen. Also packe ich doch da an, wo ich etwas tun kann – wo ich wirken kann. Weil es mir insgesamt ein besseres Gefühl gibt. Also: Packen wir’s an, oder?!

Alles Gute!

Herzliche Grüße,
Franziska