Der Nicht-Mens-Tag – Gedanken zum Schwangerschaftstest-Wahnsinn

Kennt Ihr das – das Insichhineinhorchen in der zweiten Zyklushälfte? Eine leichte Übelkeit – auf einmal ein tolles Gefühl. Ein nicht so schlanker Bauch – wer weiß?
Nein, ich nehme nicht an einem merkwürdigen Experiment teil. Und eigentlich habe ich eine Menge zu tun und eigentlich gar keine Zeit, mich so minutiös zu beobachten. Trotzdem – es geschieht irgendwie automatisch. Dabei weiß ich ganz genau – es bringt nichts. Wirklich gar nichts.
Denn die Anzeichen, die man finden kann, gibt es jeden Monat wieder. Anzeichen, die dafür sprechen, dass es geklappt haben könnte – und ebenso auch Anzeichen, die dagegen sprechen. Auch wenn man sich noch so sehr vornimmt, das nächste Mal „entspannt“ zu sein – es funktioniert nicht. Auch die Idee, noch vor der Mens zu testen, gehört hierher. Denn auch das bringt nichts. Was bitte heißt ein negatives Ergebnis drei, vier Tage vor dem Nichtmenstag? Entweder hat es nicht geklappt – oder aber es ist schlicht und ergreifend noch zu früh zum Testen.
Warum eigentlich fällt es uns so schwer, Ungewissheiten auszuhalten? Ich glaube, es liegt daran, dass es heute in vielen Bereichen unseres Lebens Gewissheit  gibt. Wie das Wetter morgen wird? Kein Problem – ein Blick auf die schicke Wetter-App, und ich weiß genau, um wie viel Uhr mit welcher Wahrscheinlichkeit wie viel Niederschlag niedergehen wird. Wie meine Blutwerte sind? Ein kleiner Piks, und wenige Tage später bekomme ich eine ganz genaue Aufstellung, in der sich die einzelnen Blutwerte finden, die ich dann auch gleich noch fein säuberlich mit den daneben aufgelisteten Normwerten abgleichen kann. Wie die Qualität meines Schlafes ist? Das Schlaflabor verschafft Klarheit – oder noch besser die neueste Smartphone-Funktion, die mir am nächsten Morgen sagen wird, wie lange meine Tiefschlafphase war und ob ich schnarche oder nicht.
Soll ich fortfahren? Die Kfz.-Werkstatt liest den Fehlerspeicher aus und weiß genau, wo das Problem liegt. Mit der Ortungsfunktion meines Smartphones kann jeder sagen, wo ich mich gerade bewege. Und selbst bei einem Flugzeugabsturz hilft die Black Box dabei, die näheren Umstände aufzuklären. Dagegen hier – in diesem so wichtigen Bereich – geht gar nichts.
Klar, ein Bluttest – aber auch der funktioniert erst ab einem bestimmten Zeitpunkt. Und im übrigen: Will man wirklich jeden Monat zum Bluttest?
Die Ungewissheit ändern – das kann man also nicht. Aber vielleicht ist es möglich, der Ungewissheit etwas Positives abzugewinnen. Ungewissheit – darin steckt das Wort Wissen. Ich weiß gerade nicht, was los ist. Es könnte so sein – oder aber auch ganz anders. Und wirklich viel dran ändern kann ich auch nicht. Vielleicht ist das doch nicht so anders als in vielen anderen Bereichen des Lebens auch.
Denn auch wenn der Fehlerspeicher des Autos hinterher ausgelesen werden kann – wenn ich an dem Morgen den Motor starte, denke ich wohl kaum daran, dass mich ein Autoproblem erwartet. Und die klaren Blutwerte – weiß ich denn wirklich immer zwingend, was ich tun muss, um bei einer etwaigen Abweichung gesund zu werden? Wer weiß schon wirklich, was die Zukunft bringt? Was wofür gut oder schlecht ist?
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Das moderne Gefühl der Kontrolle ist vielleicht auch trügerisch. Denn bei näherem Nachdenken muss man sich eingestehen, dass man die Dinge doch nicht absolut im Griff hat. Und vielleicht hat das auch seinen Sinn – denn was wäre das für eine Welt, in der jeder immer alles wüsste? Will ich wirklich immer alles wissen?
Eigentlich ist es doch ganz gut, immer nur einen Tag nach dem anderen zu leben – und darauf zu vertrauen, dass danach ein weiterer Tag kommt. Wenn die zweite Zyklushälfte sich wieder nähert – vielleicht schaffe ich es, daran zu denken.
Eure Esperanza
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Übrigens: ‚Esperanza‘ ist natürlich ein Nick-Name von einer ganz wunderbaren Frau mit sehr vielen guten Gedanken rund um den (eigenen) Kinderwunsch. Sie wünscht sich sehnlichst ihr Wunschkind – kämpft, leidet, stellt sich viele Fragen und hadert wie Du auch. Sie schwankt zwischen Hoffnung und Trauer; Monat für Monat – und jeden Monat auf’s Neue.
Und sie schreibt leidenschaftlich gerne und wird deshalb in Zukunft regelmässig ihre Erlebnisse und Gedanken rund um ihren Kinderwunsch für Dich aufschreiben. Ich freu‘ mich ganz arg darüber und sage „Herzlich Willkommen, liebe Esperanza“ und schon jetzt „auf viele gute Gedanken„!
Alles Liebe!
Deine Franziska Ferber