Ungewollt Kinderlos – hört auf damit, uns deswegen zu diskriminieren!

Und ich habe eine Mail bekommen. An einem regnerischen Tag landet der folgende Text in meiner Mailbox verbunden mit den folgenden Sätzen „Hallo Frau Ferber! Ich habe auf Ihrer Facebookseite so oft gelesen, dass Sie eben solche Geschichten suchen. Vielleicht macht es auch anderen Mut. Mir jedenfalls bringt es viel, von anderen Betroffenen zu erfahren, was sie erlebt haben und wie sie nun damit umgehen. Und selbst, wenn es nicht ganz passt, aber ich musste Ihnen einfach eine Nachricht schicken. Vielen Dank für all die aufmunternden Worte und die wertvolle Arbeit, die Sie für uns Kinderwunschlerinnen und Kinderlosen leisten. Mit herzlichen Grüßen!“

Und dann beginne ich zu lesen… und bin gerührt. Und nicke zustimmend mit dem Kopf. Und bin traurig. Und dann freue ich mich. Ein Wechselbad der Gefühle – ja, so ist es mit dem unerfüllten Kinderwunsch. Ich danke der lieben Frau, die so viele Aspekte – und nicht zuletzt den rund um die Wechseljahre (genau meine Gedanken!) – auf den Punkt bringt!

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Ich bin jetzt 29 Jahre alt. Habe bisher alles in meinem Leben erreicht, was ich mir als Ziel gesetzt habe. Schule, Ausbildung, Studium abgehakt. Einen wunderbaren Mann kennengelernt, mich verliebt, verlobt und letztlich auch vor drei Jahren geheiratet. Wir sind unsagbar glücklich und die Verliebtheit für den jeweils Anderen wächst täglich an. Wir haben zwei Katzen, eine wundervolle Familie und einen stabilen, tollen Freundeskreis. Sieht man sich genau diese Situation an, kann man feststellen, dass wir glücklich sind. Sehr glücklich.

Ich habe auch die Ehre, Patin eines wundervollen kleinen Kerls zu sein (genau wie mein Mann). Er ist jetzt acht Jahre alt und fragt mir bei jedem Treffen Löcher in den Bauch, lacht mich an oder schmust mit mir. Erzählt mir seine Sorgen, schöne Begebenheiten und wie lieb er „Tante und Onkel“ hat. Er war auch derjenige, der mit einem einzigen Satz mitten in einem traurigen Moment hinein, kurz nach der Diagnose der Kinderlosigkeit, mein Leben aufgehellt hat:

„Es ist doch nicht schlimm, wenn Du keine Kinder hast, denn dann hast Du ja mehr Liebe für mich und ich freue mich darüber!“

Er ist mein kleiner Held!

Trotzdem gibt es immer noch genügend Menschen, die genau das nicht verstehen können. Die Familie und auch Freunde wissen nicht erst seit gestern, dass wir keine Kinder haben werden, unsererseits haben wir nie einen Hehl daraus gemacht und offen darüber gesprochen. Trotzdem wollen die Bemerkungen und auch unqualifizierten Äußerungen einfach nicht verstummen (selbst die Tatsache, dass ein Paar so lange zusammen ist und keine Kinder hat, reicht offensichtlich nicht aus den normalen Menschenverstand einzuschalten, um zu erkennen, dass hier wohl etwas nicht „stimmen“ kann).

Ich denke jedes Paar in dieser Situation kennt die Bemerkungen:

„Könnt´ Ihr nicht oder wollt Ihr nicht?“
„Wenn jeder so egoistisch denken würde wie Ihr…“
„Wer soll eigentlich mal Eure Renten zahlen?“
„Mensch strengt Euch mal an…“
„Ist mit Eurem Liebesleben alles in Ordnung?“
„Du verstehst nicht wirklich, was es bedeutet, eine Frau zu sein, bis du ein Kind hattest.“
„Du hättest Kinder haben sollen. Du bist so toll mit ihnen.“
„Kinder zu haben war das Beste, was ich je gemacht habe.“
„Wer wird sich um dich kümmern, wenn du alt bist?“
„Wolltest du keine Kinder?“
„Magst du keine Kinder?“
„Ich wette, du bereust, keine Kinder zu haben.“
„Du hättest ja auch adoptieren können. Warum hast du das nicht gemacht?“
„Ach, also hast du deine Karriere dem Kinderhaben übergeordnet.“

Da werden auch die potentiellen Großeltern nicht verschont mit Äußerungen
wie:

„Mensch Eure Kinder lassen sich mit den Enkeln aber auch wirklich
Zeit….“
„Ach …so ein paar Enkel wären doch was Schönes..“
„Also Enkelkinder machen solch eine Freude und bringen so viel Glück,
Ihr wisst gar nicht was Euch entgeht…“

Ich habe meine Mutter nicht nur einmal mit Tränen in den Augen im Kreise ihrer Bekannten sitzen sehen, wenn alle von ihren Enkeln berichten und dem Glücksgefühlen als Oma und Opa. Manchmal habe ich das Gefühl, dass der Schmerz darüber, dass ihre Tochter keine Familie haben wird bei meinen Eltern noch viel größer ist als bei mir und meinem Mann.

Somit haben den Schmerz nicht nur die Kinderlosen zu tragen, sondern auch die eigenen Eltern…

Die Kinderherzen fliegen meinem Mann nur so zu. Er scheint einen Magneten „verschluckt“ zu haben, denn die Kinder aus dem Bekannten-/Freundeskreis hängen an ihm und sie lieben ihn abgöttisch. Kein Besuch irgendwo, ohne dass nicht sofort nach ihm gefragt wird und er alle Spielchen und Dummheiten mit den Kids macht. Wenn ich ihn dann so beobachte, kommen mir regelmäßig die Tränen im stillen Kämmerchen. Da hilft auch nicht die Tatsache, dass er mir täglich sagt, wie sehr er mich liebt und dass er glücklich in dieser Beziehung ist. Mein Mann geht mit dieser Situation völlig easy um, für ihn spielt es keine Rolle; wir sind in seinen Augen eine Familie.

Keine der Mamas und Papas wissen, was es für eine Frau bedeutet, wenn sie mit der Diagnose konfrontiert wird (von meinen Ärzten damals wenig feinfühlig „Finden Sie sich damit ab, dass Sie keine Kinder haben werden“) niemals Mutter werden zu können, welche Schuldgefühle sie gegenüber dem Partner plagt, wie viele Gedanken sich darum drehen, den Partner aus Liebe „frei zu geben“, um ihm den Wunsch nach einer Familie nicht vor zu enthalten.

Ich glaube wir Frauen, die wir ungewollt kinderlos sind, sind die einzigen Frauen auf dieser Welt, die sich nichts sehnlicher wünschen als endlich die Wechseljahre hinter sich zu bringen und endlich alt zu werden. Anti-Aging ist zumindest für mich auch das Anti-Thema in doppelter Hinsicht…ich kann es kaum erwarten endlich 50 Jahre zu werden (egal ob ich Falten oder Cellulite habe – damit kann ich leben!), denn dann werde ich nicht mehr von meinem Umfeld mit der Kinderfrage „gefoltert“, denn das hat sich mit einem gewissen „Reifungsgrad“ dann erledigt.

Apropos: egal wo und wann in welchem Umfeld und in welcher Situation ich mich bewege, es drehen sich alle Themen um Kinder und Familie. Und man bekommt sehr deutlich zu spüren, dass man bei diesem Thema sich zum einen keine Meinung erlauben darf. Das Ganze läuft unter dem Motto: „Wer die Praxis nicht kennt, kann auch nicht mit sprechen!“ 

Darf ich keine eigene Meinung haben? Warum kann und darf ich mich in dieser Gesellschaft zum Thema Kinder nicht äußern? Haben Kinderlose keine Beobachtungsgabe, um Kritik oder Lob zu kommunizieren? Wir haben doch alle genügend Familien um uns herum, um Dinge auch mit dem Blick auf die Landkarte beurteilen zu können. Somit bin ich dazu „verdammt“, teilnahmslos Diskussionen beizuwohnen und mich als schmückendes Beiwerk bei Kaffeerunden, Grillabenden, Geburtstagen, Familienfesten etc. still dazu zu setzen.

Wie man sich als Kinderlose fühlt? Einsam, sehr einsam und nicht zugehörig.

Mein Blick schweift jeden Tag in meinem Wohnzimmer in die Foto-Ecke, die wohl jeder in seiner Wohnung hat, in welcher sich alle Fotos schön eingerahmt aneinanderreihen. Ich sehe meine Hochzeitsbilder und die in die Zukunft erwartungsvollen positiven Blicke von mir und meinem Mann und mir kommen regelmäßig die Tränen. Meine Familienchronik ist mit unserem Hochzeitsfoto abgeschlossen.

Und trotzdem bin ich glücklich. Ich habe Liebe in meinem Leben. Und das ist für mich das Wichtigste.

***

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Ja, ich bin gerührt. Weil die liebe R., die ja „nur“ aus ihrem Leben berichtet, die Themen aufgegriffen hat, die so Viele von uns kinderlosen Frauen wahnsinnig machen und die, die weh‘ tun. Das ist mutig und ehrlich und klasse! Weil wir alle merken, dass nicht nur wir ein „komisches“ Umfeld haben – sondern irgendwie alle. Weil wir merken, dass man als Gesellschaft lernen muss, mit den Menschen umzugehen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben.

Wie erfrischend und liebevoll erscheinen da die Worte des Patensohnes von R. – und ja, ich glaube, so ist es: Wir haben viel Liebe zu geben… wir geben sie nicht den eigenen Kindern; aber wir tragen so zur Gesellschaft bei. Weil wir die Zeit und die Möglichkeit dazu haben. Und das ist doch wohl auch ein hohes gesellschaftliches Gut – und noch dazu eines, das eigentlich viel zu oft viel zu kurz kommt: Mitmenschlichkeit, Liebe und Verbundenheit.

Der kleine Held hat es auf den Punkt gebracht – wir haben Liebe zu geben. Und das tun wir – reichlich.

Ganz liebe Grüße zu Dir, liebe R. und vielen Dank für diese rührenden Worte!

Alles Gute!

Viele Grüße,

Franziska

PS: Wenn ich Dich ein Stück auf Deinem Weg begleiten und unterstützen darf, so wie ich ja auch die liebe R. eine ganze Weile begleitet und unterstützt habe, dann informiere Dich gerne hier über das, was ich für Dich tun kann – also über mein Unterstützungsangebot. Klick gerne bitte hier – ist für Dich in der Übersicht verlinkt.