400 Kinderwunschärzte und ich

Vor ein paar Monaten, irgendwann im Herbst, bekam ich einen Anruf einer freundlichen Ärztin. Sie fragte mich, ob ich „Ende Januar“ auf einem Kinderwunsch-Symposium, das Ihr Zentrum veranstalten würde, einen Vortrag halten wollen würde… weil sie nicht nur über die reproduktionsmedizinische Seite sprechen wollte – sondern über den „gesamten Kinderwunsch“. Ich habe mich gefreut, den Termin gecheckt und zugesagt. Und mich dann ehrlicherweise lange Zeit um diesen Termin gar nicht mehr gekümmert.

Nun hat er stattgefunden. Klar habe ich mit dem Veranstalter in letzter Zeit viel Kontakt gehalten, Schwerpunkte definiert und Absprachen getroffen. So weit so gut.

Nun war es dann so weit – und ich habe vor 400 Ärzten, Humangenetikern und Biologen gesprochen. Abgesehen davon, dass mir der Mut nicht in die Wiege gelegt ist und ich schon ordentlich damit zu tun hatte, meine Nervosität zu steuern, so bin ich doch sehr dankbar für diese Möglichkeit.

Immer wieder spreche ich mit den Kinderwunsch-Ärzten; suche aktiv den Austausch. Und wenn ich in der Zeit eines gelernt habe, dann, dass auch sie – nicht nur wir, also die Patientinnen – unter gehörigem Druck stehen. Das ist das, was man in der Kinderwunschklinik allzu oft als „Fließbandarbeit“ wahrnimmt. In den Gesprächen merke ich immer wieder, dass den Ärzten das Wohl der Patientinnen in dieser sehr belastenden Zeit durchaus bewusst ist… aber es eben auch nicht dafür reicht, das wirklich zu ändern. Dafür wären, vermute ich, tiefgreifende Praxisstrukturveränderungen von Nöten und vereinzelt finden sich diese ja auch schon.

Nun stand ich also vor diesen 400 Personen, die den Kinderwunsch aus der beruflichen Sicht erleben – die aus ihrer beruflichen Sicht auf das blicken, was medizinisch getan werden kann, um den Patientinnen zu einem Wunschkind zu verhelfen.

Hier seht Ihr mein Vortragsskript – ich habe weitgehend frei gesprochen. Mir war es ein Herzensanliegen den Ärzten, Humangenetikern und Biologen die Bedeutung Ihrer Tätigkeit vor Augen zu halten. Hier ein Auszug aus dem, was ich heute sagte:

„(…) Wir nennen es KinderWUNSCH – aber wer gestern Lotto gespielt hat, weiss vielleicht, dass man sich viele Dinge wünschen kann. Ich – bspw. – wünsche mir einen kleinen, alten, knarrenden, schiefen Bauernhof… am liebsten im Stadtgebiet München. Ich wünsche mir, mit meinem Mann, einem Esel, zwei Shetlandponies, Hühnern und vor Allem vielen Hunde dort zu leben. (…) Haben Sie sich heute früh gewünscht, als Ihr Wecker klingelte, damit Sie pünktlich zum Symposium kommen, noch liegen bleiben zu können? (Lacher) Sehen Sie, wir haben viele Wünsche und können uns Vieles ausmalen. Aber der KINDERWUNSCH hat so gar nichts von einem WUNSCH – einem Wunsch, ohne dessen Erfüllung wir dennoch gut leben können. Aus meiner Sicht – und ich bin eine Betroffene, die jahrelang in einer Kinderwunschklinik war und Enttäuschung nach Enttäuschung hinnehmen musste – geht es nicht um den KinderWUNSCH sondern um die viel tiefere KinderSEHNSUCHT. Die KINDERSEHNSUCHT ist etwas existentielles, elementares.. und wenn man diese Sehnsucht erst einmal in sich entdeckt hat, dann gibt es nicht mehr viel, was uns wichtiger ist als die Erfüllung dieser Sehnsucht. Wir – die Betroffenen – tun alles dafür. Aber im Vergleich zu anderen schweren Lebenssituationen greift der Kinderwunsch in jeden einzelnen Lebensbereich tief ein. Die eigene Persönlichkeit ist betroffen, die Partnerschaft, die Freundschaften, die Familie, die Gesundheit, die Finanzen aber sogar auch der Beruf. Der unerfüllte Kinderwunsch begleitet einen über Jahre – in aller Tiefe. Man kommt nicht aus. Man kann sich nirgends mehr erholen, weil das Thema überall ist. Wir können uns nicht schonen  – kaum eine Auszeit davon verschaffen. (…) Und so sehen Sie, liebe Ärzte, Humangenetiker und Biologen, was Sie für einen bedeutsamen und verantwortungsvollen Beruf gewählt haben. Es geht um mehr als „Eizelle meets Sperma“ – es geht um Lebensentscheidungen, eine tiefe Sehnsucht, Hoffnung und Trauer, Einsamkeit und Verzweiflung… und die Frage nach dem Lebensglück. Bitte, seien Sie sich bewusst, dass Sie an der vordersten Front die Hoffnungsträger sind. Bitte, sehen Sie, dass die Frauen nicht nur ein medizinisches „Problem“ haben – sondern in der Gesamtheit ihres Lebens betroffen sind. Bitte, tun Sie, was Sie tun können, um die Patientinnen gut durch diese schwere Zeit zu begleiten. (…)“

Das ist natürlich nur ein Auszug. Aber mir ist es wichtig, auf beiden Seiten zu unterstützen und zu begleiten; auch die Ärzte, Humangenetiker und Biologen müssen verstehen, was für eine besondere Funktion sie einnehmen in einem Leben, das auf ihre Unterstützung angewiesen ist. Und sie sind sich dessen bewusst – jedenfalls erlebe ich das in den vielen Gesprächen, die ich führe.

Ja, wir setzen als Patienten unsere Hoffnung in die Ärzte. Sie – so denken und hoffen und glauben wir – können uns helfen das zu überwinden, was die Natur uns mitgegeben hat. Aber es ist eben mehr als nur ein WUNSCH – es ist eine SEHNSUCHT… und mit dieser darf man verantwortungsvoll und gnädig, gütig und emphatisch umgehen. Ein Misserfolg ist statistisch „nicht schön“ – aber für die betroffene Frau ist es eine enorme Belastung. Das „Nicht-Ereignis“ (also eine nicht eintretende Schwangerschaft) ist lebensbeeinflussend.

Das war meine Botschaft … mit viel Herzblut vorgetragen. Glücklicherweise wurde es gut aufgenommen – mit viel echtem Interesse, unzähligen Nachfragen und viel Nachdenklichkeit in den Gesichtern. Gut so!
🙂

Ja, die KINDERSEHNSUCHT greift in jeden einzelnen Lebensbereich ein; tief. Die Betroffenen können sich nirgendwo mehr „sicher“ fühlen und die Akkus in Ruhe aufladen; weil das Thema einfach überall ist. Um so wichtiger ist es – finde ich – zu sehen, wie die KINDERSEHNSUCHT in jedem Lebensbereich konkret wirkt… wo man steht… was schwer ist… und was man aber dennoch tun kann, um das große, schwere Spagat ZWISCHEN WUNSCH UND WIRKLICHKEIT besser auszuhalten; achtsamer und gütiger mit sich selbst sein zu können.
Mehr über die KINDERSEHNSUCHT und die 7 Lebensbereiche findest Du hier (klick).

Eines ist sicher: Es ist eine ganz besondere Lebensphase und oft genug auch auch eine existentielle Lebenskrise.

Ich wünsche Dir, dass Du an diesem Wochenende mit Dir selbst besonders liebevoll, gnädig und einfühlsam umgehen kannst!

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