DER GESCHWISTERKINDERWUNSCH –
Sehnsucht nach einer größeren Familie!
„Sei‘ doch mal dankbar für das Kind, das Du hast!“
Das ist wohl der schlimmste Satz, den man einer Frau sagen kann, die sich für ihr Kind (oder ihre Kinder) ein Geschwisterkind wünscht.
Ja, ich glaube, dass das wirklich mit der schlimmste Satz ist, den sich Frauen, die einen unerfüllten Folgekinderwunsch haben, anhören müssen.
Wie ist das bei Ihnen?
Sie haben schon ein Kind?
… vielleicht sogar schon zwei Kinder? Oder drei?
Und Sie wünschen sich ein Geschwisterchen?
Sehnen Sie sich danach, noch einmal schwanger zu sein?
Wollen Sie noch einmal einem Seelchen ins Leben verhelfen?
Glauben Sie, dass noch Platz in Ihrer Familie ist?
Sie glauben, Sozialkompetenz geht über Familienleben?
Sie wollen das Wunder noch einmal erleben? Oder dieses Mal Alles anders machen?
Sie wünschen Ihrem Kind ein Geschwisterchen, damit es in seinem Leben nicht alleine sein wird?
… … …aber niemand versteht Sie und Ihre innere Not und Verzweiflung?
Die „Öffentlichkeit“, die „Allgemeinheit“ (oder sogar Menschen in Ihrem direkten Umfeld?) denkt, dass man nur einen Kinderwunsch (im Wortsinne) haben kann, wenn es sich um das erste Kind handelt.
Aber so ist es nicht!
Die Unterstützung, wenn man denn überhaupt offen über den Kinderwunsch spricht, ist vielleicht (vielleicht!) noch da, wenn man kein Kind hat – aber es sich sehnlichst wünscht, eine Familie zu werden.
Sobald man wie Sie ein Kind (oder mehrere) hat, fliegt einem ziemlich schnell der Hinweis um die Ohren „sei doch mal dankbar für das, was Du hast. Du hast doch schon ein Kind / Kinder“.
Wer darüber spricht (wenn überhaupt), dass es einen Geschwisterkinderwunsch gibt, der muss sich schnell anhören, man könne ja auch einfach mal dankbar sein für das Kind, das schon im Leben ist.
Kennen Sie das?
Wenn ja, dann tut es mir leid.
Sie sind ja dankbar für Ihr Kind, nicht wahr? Sie wissen ja, welches Geschenk Sie bekommen haben. Aber ist man undankbar, weil man sich ein Geschwisterkind wünscht? Ich glaube nicht.
Tatsächlich habe ich in den letzten Jahren eine ganze Reihe von „Folge-Kinderwunsch-Frauen“ begleitet und unterstützt. Nach all‘ dem, was ich in diesen vielen Gesprächen gelernt und gesehen habe, ist der Folgekinderwunsch oftmals sogar seelisch enorm belastend und in den psychischen Auswirkungen gravierend. Schliesslich hat es ja schon einmal geklappt… weshalb also jetzt nicht?
Ich finde eine solche Äusserung eigentlich ziemlich unglaublich.
Denn:
1. Wer sich ein Geschwisterkind wünscht und einen Folgekinderwunsch hat, der darf das in meinen Augen. Und zwar ohne „Wenn und Aber“.
2. Für mich als Kinderwunsch Coach ist der Folgekinderwunsch in der seelischen Auswirkung (fast) das Gleiche, wie das Leid beim ersten Kinderwunsch.
3. Ja, Dankbarkeit ist eine Tugend. Und Sie haben in der Tat schon etwas, wofür Sie dankbar sein können. Ich wette, Sie sind es auch, nicht wahr? Weil… weil sonst würden Sie sich doch gar kein weiteres Kind wünschen, oder?
4. Aber was bitte hat die Dankbarkeit für Ihr Kind mit dem Folgekinderwunsch zu tun? Ich glaube: Wenig. Denn ja, auf der einen Seite der Medaille sind Sie dankbar für Ihr Kind – vielleicht sogar unglaublich dankbar. Aber die andere Seite der Medaille zeigt Ihnen, wie sehr Sie sich ein Geschwisterkind wünschen… wie sehr Sie sich nach einem weiteren Kind sehnen. Wer Ihnen also sagt, Sie sollten mal dankbar sein, der sieht nur die eine Seite der Medaille… aber es gibt sie: Die andere Seite. Und das fühlen Sie ja schließlich jeden Tag.
Also… beides geht: Dankbarkeit und Schmerz und Sehnsucht nach einem weiteren Kind. So ist es – und ich finde, es darf auch so sein.
Ob Ihr Partner kein weiteres Kind möchte… oder ob Sie einfach nicht mehr schwanger werden… oder Kinder verloren haben… Ihr Leid steht für sich. So weiter zu machen wie bisher… einfach vor Sehnsucht vergehen; Monat für Monat…oder, wenn es blöd läuft, jeden Morgen, wenn Sie Ihr Kind in die Kita, den Kindergarten oder die Schule bringen und dort „Mit-Mütter“ sehen, die schwanger sind oder mehrere Kinder haben… – so kann es doch für Sie nicht weitergehen, oder?