Persönlichkeitsrecht. Oder: Was soll ich nur davon halten?!

IMG_6778 Gestern früh landete die Nachricht, dass Facebook und Apple die finanziellen Leistungen für ihre Mitarbeiterinnen erweitern und künftig die – wahrlich nicht unerheblichen – Kosten für das Einfrieren von Eizellen übernehmen, in meinem Postfach. Und seitdem denke ich darüber nach und weiß beim besten Willen nicht, wie ich das finden soll.

Ich weiss es vor Allem deshalb auch nicht, weil in Bayern es ein – dem Verfassungsschutz bekannter – Neonazi geschafft hat, als Richter eingestellt zu werden. Der bayerische Datenschützer, Herr Petri, hat – als der Vorschlag aufkam, künftig eine Verfassungsschutzabfrage vor der Einstellung solch hochrangiger Staatsdiener durchzuführen – gesagt, es müsse wohl überlegt werden, weil eine solche Abfrage ein starker Eingriff in die Persönlichkeitsrechte eines Bewerbers wären.

Ja, wo sind wir denn? Wir überlegen, ob eine Überprüfung eines Bewerbers für ein hohes Amt im Staaatsdienst gerechtfertigt ist – und gleichzeitig übernehmen Unternehmen die Kosten für das Social Freezing von Eizellen ihrer Mitarbeiterinnen, weil sie ihnen eine jetzige Karriere und spätere Familie ermöglichen wollen.

Definiere Persönlichkeitsrechte! Und zwar nicht juristisch – sondern emotional. Ich kann mir nicht viele Themen vorstellen, die persönlicher wären als die eigene Lebensplanung. Und dazu gehört eben auch die Frage nach dem Kinderwunsch und dem Zeitpunkt für die Familienplanung. Wenn Unternehmen hierfür die Übernahme von Kosten anbieten, klingt das erst einmal schick. Statt Gehaltserhöhung gibt es eine (plakativ formuliert) Erhöhung der Fruchtbarkeitspotentiale. Puh! Ich würde zu gerne wissen, wie sich die Human Ressources Manager (auch eine schöne Wortfindung: ‚Menschliche Ressourcen Manager’) die hiermit einher gehenden Prozesse vorstellen. Wahrscheinlich, wie der Name ihrer Tätigkeit. Sie planen die Ressource ‚Menschliche Fruchtbarkeit’ mit ihren Mitarbeiterinnen. Lustig – oder auch nicht – die Vorstellung, dass der zu bearbeitende Leitfaden für Jahresendgespräche demnächst vielleicht noch die Frage nach den Vorhaben in Sachen Eier-Konservierung beinhalten. Und das wird dann im Besprechungszimmer zwischen erreichten Zielen des zurückliegenden und des neuen Jahres besprochen. Klasse Idee. Nicht. Nein im Ernst: Kommen wir auf die Persönlichkeitsrechte zurück. Wir sollten uns darüber klar werden, was wir von Unternehmen erwarten – und was nicht. Wir sollten uns fragen, welcher Teil des Lebens privat verantwortet werden sollte. Wir sollten uns als Gesellschaft fragen, was wir durch Anreize, die wir setzen, erreichen.

Wenn angeboten wird, dass Kosten für Social Freezing übernommen werden, dann wird es genutzt werden. Vielleicht nicht immer ganz freiwillig, sondern sicherlich des Öftern aus der Notwendigkeit heraus, dass ein solches Vorhaben eben finanziert sein will… oftmals über die Jahre mit bis zu € 20.000. Natürlich werden sich Frauen melden und die angebotene Leistung in Anspruch nehmen. Aber was passiert, wenn jemand dann aufhört, für Facebook oder Apple arbeiten zu wollen? Wer zahlt es dann?
Und soll diese finanzielle Unterstützung von Social Freezing nicht letzten Endes in Wahrheit dazu dienen, dass die Unternehmen sich ihrer Verantwortung, belastbare – wirklich belastbare – Strukturen für eine familienfreundlichere Arbeitswelt zu schaffen, entziehen?! Denn: Wenn Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen keine Kinder haben, muss auch nicht für die Vereinbarkeit von Karriere und Familie gesorgt werden… man könnte auf den Gedanken kommen, dass die Zahlung eines einmaligen Betrages, der in Summe vielleicht über die Jahre einem halben Jahresgehaltes entspricht, für Viele mit Führungsverantwortung eine berechenbarere Größe zu sein scheint, oder?

(Ach Kinners, es gibt tausend Gedanken, die mir dazu durch den Kopf gehen, die ich hier nicht abbilden kann…)

Willkommen in der Scheinwelt der nett wirkenden Unterstützung. Ich hoffe, Facebook und Apple erklären ihren Mitarbeiterinnen, die für die Karriere die Familienplanung aufschieben, auch, dass es für das spätere Befruchten der Eizellen und damit ein Kind schlichtweg keine Erfolgsgarantie gibt. Und dass die Mitarbeiterinnen unter Umständen für – pauschal formuliert – € 20.000 zwar ihre Karriere verfolgen aber noch lange nicht sicher sein können, dass sie eine Familie haben werden.

Nein – ich weiss nicht, was ich davon halten soll. Im Moment tendiere ich dazu: „Jetzt neu im Regal: Verzichtet auf Familie, zieht € 20.000 ein, macht (ein bißchen) Karriere und hofft, dass Ihr später irgendwann mit Kind und Familie glücklich sein dürft. Unterstützung ohne Gewähr – aber mit viel Arbeit, psychisch wie physisch.“

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Update vom 21.10.2014: Die FAS hat am vergangenen Sonntag einen sehr schönen – weil durchdachten – Artikel von Andreas Bernard zum Thema Social Freezing veröffentlicht: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/social-freezing-emanzipatorischer-schritt-oder-totale-kontrolle-13216524.html

 

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Kindersehnsucht – Kinderwunsch – München