Warum müssen wir uns eigentlich immer rechtfertigen?

FotoIch habe diese Woche eine ganze Reihe von Gesprächen geführt – mit Frauen. Frauen, die sehr unterschiedliche Leben führen aber alle Mitte der 30er sind. Die eine ist Single, die andere hat einen noch relativ neuen Freund und die nächste ist bereits seit 3 Jahren verheiratet. Und die letzte im Bunde bin ich – lange verheiratet aber kinderlos. Was uns Frauen eint, ist der (gefühlte) Zwang zur Rechtfertigung. Das Gefühl, ständig den eigenen Lebensentwurf bzw. die eigene Lebensrealität in der einen oder anderen Form erklären bzw. verteidigen zu müssen.

Ja, keine von uns Frauen hat ein Kind – aber die Gründe dafür sind vollkommen unterschiedlich. Eine musste den Kinderwunsch ad acta legen, eine ist dabei „zu üben“ und hofft jeden Monat auf’s Neue, eine will ein Kind – aber nur, wenn sich die Bindung verfestigt und die letzte in der Reihe hat schlichtweg im Moment keinen Partner.

Was ist es also, das uns so in die Rechtfertigungsnot bringt? Was gibt uns das Gefühl uns ständig erklären zu müssen? Es ist die gesellschaftliche Erwartungshaltung an eine Frau in der Mitte ihrer 30er. Wir haben im Alltag viele Menschen um uns, die einfach erwarten, dass man in dieser Lebensphase Mann und Kind(er) hat… …und jede, die gerade ein anderes Leben führt bzw. führen muss, entspricht nicht dieser Erwartungshaltung. Und weil dem so ist, meinen viele, daraus das Recht ableiten zu dürfen, ganz (in)diskret nachfragen zu dürfen. Gerne mit „…und? Wo sind Deine Kinder?“ (ohne zu wissen, ob man welche hat) oder „Ach, Du willst wohl lieber Karriere machen?!“ oder „Hund? Angst vor Verantwortung für ein Kind?!“- immer schön intoniert mit kleinem Fragezeichen und großem Ausrufezeichen.

Mir platzt da jedes Mal der Kragen – weil sich getraut wird, die Grenzen der persönlichen Freiheit hier zu überschreiten, weil es vermeintlich gesellschaftlich anerkannt ist.

Leute, ich sag’s Euch: Nicht alles, was gesellschaftlicher Usus ist, ist auch gut! Glaubt doch bitte, dass es immer einen guten Grund hat, warum sich eine Frau entscheidet so zu leben, wie sie es tut. Und ja, auch eine Unfruchtbarkeit kann ein „guter Grund“ sein. Und die „Entscheidung“ ist dann nur die Entscheidung, damit zu leben… keine Wahl zwischen verschiedenen Optionen.
Und wenn das so offen (oder dreist) auf’s Tableau gehieft wird, dann entsteht im besten Fall betretenes Schweigen – im schlimmeren Fall aber eine Verletzung, die bestehende Wunden wieder neu aufreißt. Und nicht alle wissen, wie lange es dauern kann, bis diese eine neue Wunde wieder heilt.

Ich empfehle daher: Haltet Euch zurück mit forschen Thesen, wenn Ihr jemanden trefft, der anders lebt, als man es gemeinhin erwarten würde! Denn oft steckt auch und gerade unter diesem Dach ein „Ach“ und damit Schmerz. Seid liebevoll zu Euren Mitmenschen – nicht urteilend. Bitte!

*PS in eigener Sache: Ich unterstütze nicht nur diejenigen, die sich ein Kind wünschen – sondern auch diejenigen, die nicht wissen, wie sie mit der Kinderlosigkeit ihrer Kinder (um nur ein Beispiel zu nennen) umgehen sollen. Mehr dazu auf www.kindersehnsucht.de/leistungen.

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Kindersehnsucht – Kinderwunsch – München